JOHN GREER
JOHN GREER

Verwandte Arbeiten

 

Die Ausstellung "Connected Works" (Verwandte Arbeiten) wurde in der Dalhousie Art Gallery in Halifax, Nova Scotia in 1986 realisiert. Sie bestand ausschließlich aus Arbeiten, die während eines 5-monatigen Aufenthalts in Pietrasanta, Italien entstanden sind. Die beeindruckenden formalen Qualitäten sind bereichert durch eine komplexe, assoziative Bedeutung. Greer vertiefte seine Beschäftigung mit Wahrnehmung in Bezug auf eine persönliche Identifizierung. Die beeindruckende Wirkung durch den Gebrauch von Marmor geht Hand in Hand mit einer Bildsprache, die auf einer allgemeinen Ebene arbeitet: Greer verwendet die Symbole des Kammes, der Schlange und der Axt, aber er bezieht in die gezeigten Werke einen ganz persönlichen Zugang zu der Symbolik ein. Der schon zuvor besprochene "Temple of the Order of Chaos"/"Tempel für die Ordnung von Chaos" 1986, ist die größte Einzelarbeit in dieser Ausstellung. Diese visuelle Aussage für den menschlichen Sinn von Ordnung erinnert uns an unsere Vorfahren. Die Bildsprache und das Material arbeiten zusammen in ihrer Bedeutung und die Skulptur konfrontiert uns als eine Manifestierung unserer Befähigung, menschlichem Gedankengut Form zu geben.

 

Die Arbeit "Sleeping Wills"/"Schlummernde Willenskräfte" 1986, beschäftigt sich auf einer anderen Ebene mit menschlicher Willenskraft als einem Energiepotenzial. Die Arbeit besteht aus fünf Marmor-Teilen mit einem Durchmesser in der Größe zwischen 21,6cm und 33cm, die in relativer Nähe zueinander installiert werden, sodass sie ein visuelles Feld erschaffen das man durchlaufen kann. Die Formen gleichen zusammengedrehten Schlangen, die ihre Köpfe eingesteckt halten, oder einer Faust mit eingestecktem Daumen. Die Schlange ist für Greer ein Symbol für ein Energiepotenzial - in Bezug auf die Hand ist dies verbunden mit dem Eingriff des Menschen. “Wenn alle Symbole wirklich mit Energie versehene Funktionen und Zeichen sind, dann ist der Serpent oder die Schlange, in Analogie dazu, symbolhaft für Energie selber – für Kraft, schlicht und einfach, deswegen auch ihre Ambivalenzen und Multivalenzen.” (Dictionary of Symbols).

 

Die von Greer in Stein gearbeiteten Schlangen fordern unser Wahrnehmungsvermögen heraus, denn sie scheinen sich mit unserer Bewegung entlang der Arbeiten zu entdrehen. Die aufgebaute Spannung scheint ein Element der Gefahr zu bergen, sodass die Formen eine Alarmbereitschaft in uns wachrufen. In Bezug auf die "schlummernde Willenskraft" spricht diese Arbeit über Selbstkontrolle von menschlicher Entschlusskraft. Die Ebene der Erfahrung ist dirigiert, so wie wir jede unserer Aktivitäten dirigieren. Die Skulpturen verbinden das Konstrukt des menschlichen Verstandes mit dem Moment der Erfahrung.

 

Diese Arbeit integriert den Betrachter, definiert ihn als Objekt zwischen Objekten. Es ist eine künstlerische Arbeit, die zeigt, dass Bildhauerei durch körperliche Bewegung wie laufen, umhergehen und untersuchen zu erfahren ist. Das, was durch die Begegnung eine Veränderung in der Person hervorruft, ist definiert durch die Erfahrung von verschiedenen Ansichtspunkten und unterschiedlichen Entfernungen. Die Person und die Skulptur werden als konstante Größen in Relation zueinander bestimmt. Durch die Bildsprache und das gewählte Material haben die einzelnen Objekte eine starke Aussagekraft. Mit einer Arbeit wie den "Sleeping Wills", beginnt Greer die skulpturalen Eigenschaften eines Objektes zu akzeptieren und bewusst mit einzubeziehen. Eine bestimmte "Aura" tritt zu dem Ereignis der Kunst, die in diesem Fall die Erfahrung einer bestimmten Atmosphäre von menschlicher Überlassenschaft mit einbezieht. Die Arbeit bestimmt einen "Ort", einen Standort, der die Fähigkeit hat einen beobachtenden Menschen einzubeziehen, in sich aufzunehmen.

 

In Verbindung mit einer Ausstellung, die "Steine und Orte" betitelt ist und altmexikanische Steinskulpturen an die Seite von zeitgenössischer Plastik stellt (vor allem unter Einbezug der geometrischen Form des Würfels), schreibt Rolf Wedewer: "Ungeachtet aller Differenzierung im kennzeichnenden Detail sind die altmexikanischen Figuren von einer in sich begründeten, skulpturalen Geschlossenheit und zugleich von einer formalen Dynamik geprägt, die schlicht staunen macht. (...) Man betrachte unter dem Aspekt des formalen Erfindungsreichtums, die hier gezeigten Varianten zum Motiv der "Schlange". (...) Und doch verspürt man trotz der Festigkeit der Form und des Formgebildes die latente Aggressivität der Schlange, weil sie nicht abgebildet, sondern charakterisiert wird, und dies eben vermittels der konzeptuellen Form beziehungsweise des konzeptuellen Formprinzips: Beispiel für die Ausdrucksmächtigkeit eines Formgebildes und dafür, dass diese Ausdrücklichkeit mehr als nur eine psychologische Kategorie ist. Vermittels der Formkraft wird unmittelbar etwas vergegenwärtigt, was in seinem eigentlichen Sinne Thema der Skulptur ist und doch unmittelbar und faktisch eindeutig der Wahrnehmung entzogen bleibt." (Rolf Wedewer)57.

 

Greer kombiniert ein Formprinzip mit altertümlicher Bildsprache und schafft es, dieses in einen konzeptuellen Zusammenhang zu stellen, der die verschiedenen Verständnisebenen der Arbeit in einen zeitgenössischen Kontext platziert. Im Gegenzug verbindet er aktuelle Anliegen, indem er sein Zeit-Modell der Akkumulation von Form und Inhalt benutzt. Wie wir sehen werden, begann Greer zu dieser Zeit eine Bildsprache in Verbindung mit konzeptuellen Arrangements zu nutzen und zieht seinen Vorteil aus den gegebenen skulpturalen Eigenschaften von Stein als Naturmaterial. Die benutzten Bilder sind in Objekte übersetzt und gewinnen Wichtigkeit, die für die ihnen eigene Bedeutung steht, und nicht für eine Idee, wie es für ein Symbol gelten würde, welches auf einer Zweidimensionalen (Bild) Ebene benutzt würde. Die taktilen Eigenschaften der Objekte und ihre Körperlichkeit führt zu einer tiefgründigen Begegnung in dem Raum, in dem wir uns zusammen mit dem Werk befinden.

 

Wedewer bespricht einen Unterschied zwischen der Form der Darstellung und der Form von menschlicher Konzeption und verbindet diese mit Individualität und Endlichkeit gegenüber einer globalen Konstante im Raum der Zeitlosigkeit. "Die künstlerische Gesetzmäßigkeit der Form als Form muss deshalb in Analogie zur gedachten Wirklichkeit gesehen und verstanden werden. Allein von diesem Ansatz her wird einsichtig, dass und wieso konzeptuelle Formgebilde in vorwissenschaftlichen Kulturen die wirklichen Mächte - ob als Geister, Götter oder in welcher Gestalt sonst mythologisch definiert - zu bedeuten und in unvermittelter Präsenz zu schaffen vermögen." (Rolf Wedewer)58. Greer benutzt einen ähnlichen Ansatz der Darstellung, welcher in den von Wedewer beschriebenen antiken Skulpturen zum Ausdruck kommt - aus dem Blickwinkel von heute. Er nutzt Bilder, die auf ihre skulpturale Präsenz reduziert sind, ihre Präsenz als Dinge. Durch ihr körperliche Existenz und die zugrunde liegenden konzeptuellen Ideen und Formprinzipien wirft Greer sie in das "hier und jetzt", indem er ein Erbe hervorhebt, das jenseits von linearer Geschichte steht und sich deshalb für eine Neupositionierung ehemals zeitgebundener Aspekte öffnet. "Resonance" (Capacitor)/"Resonanz" (Kondensator) 1986 benutzt diesen Zugang zu Zeit und visualisiert ihn durch ein binäres System. Zwei identische Formen aus zwei verschiedenen Materialien stehen sich gegenüber. Die Marmor-Form ist die "Mutter", der "Nachwuchs" ist ein Bronze-Guss, Hochglanz poliert. Die Formen sind weit genug auseinander um Raum für eine Person zum Durchqueren zu lassen. Die spiralförmigen Objekte sind zur Hälfte gedreht, sodass sie sich durch den Betrachter visuell ineinander entfalten. Die Formen vervollständigen einen Dialog, visuell, indem sie eine Beziehung entstehen lassen und sich ineinander reflektieren, virtuell, durch die gedankliche Vervollständigung ihrer initialen Verwandtschaft und ihre Qualität als eigenständige Dinge.

 

Mit den besprochenen Werken und einigen Zeichnungen, sowie einem Prüfstein (Folding in on Itself”, In sich zusammenfalten), benutzt Greer diese Ausstellung um eine Brücke zu vorhergehenden Installationen zu schlagen und ein Anliegen für eine Fortsetzung eines Denkens auszusprechen, das auf traditionellen Elementen basiert, die modifiziert werden, und eine zeitrelevante Bedeutung betonen.

 

"Caligula Dreaming" (Träumender Caligula) 1986 hat auch wieder einen Schwerpunkt auf die gegenseitige Beziehung von Form (Bild und Material) und der zugrunde liegenden Idee. In dieser Arbeit ruht eine weitere in sich geschlungene “Schlange” in schwarzem Marmor gearbeitet, auf dem Boden. Ihre Schwanzspitze ist aufgestellt wie im Zustand der Unruhe. Sie sitzt auf einer großen Filzmatte (groß genug für eine Person um darauf zu liegen) die die Form des Kopfes einer Axt hat, als Schatten der "Göttin der Technologie". Diese wiederum ist umrandet von einem darunterliegenden Leinen-Bodentuch mit gezackten Rändern, die in rotem Ocker bemalt sind.

Der Materialgebrauch ist konzeptuell in der Auswahl, aber die Arbeit hinterlässt einen bleibenden Eindruck als plastisches Objekt. Der Titel verweist auf die Geschichte vom Kaiser Caligula: "Er träumte, die Menschheit würde auf eins reduziert werden, das Schicksal besiegelt durch die Axt." (John Greer) Für Greer ist es nicht klar, ob dieser Traum eine Aspiration oder ein Albtraum war - und er bringt es direkt mit unserem derzeitigen "Schlaf" im Schatten der Technologie in Verbindung. Die Bildsprache arbeitet in Beziehung zu der Größe des Betrachters und schafft durch diese körperliche Bezugnahme eine gespannte Atmosphäre.

 

Außerdem zeigt Greer in dieser Ausstellung die frühe Version von "Chamber of Desires" 1990 (Zimmer der Sehnsüchte) "Kouros in Flight" 1986 (Kouros im Flug). Diese Arbeit wurde im ersten Teil besprochen. Auch in dieser Ausstellung bereitet sie den Betrachter auf die geistige Bereicherung an einer körperlichen Begegnung vor.

 

Diese Ausstellung zeigt eine neue Richtung im Werk von John Greer – einen anderen Dialog, der aus der dem Künstler eigenen Sprache entwickelt ist. Mit den Arbeiten bis zur Mitte der Achtziger Jahre war Greer auf einer sehr produktiven Suche in der er versuchte Grenzen für eine Artikulation durch und mit der Welt der Dinge zu finden. Sprache bedeutet Form und die Idee, die Form produziert. Greer sensibilisierte den Betrachter für eine Sprache, die er für sich selber definierte, das Bekannte und Unbekannte des Seins - und dessen, was Kunst sein kann auskundschaftend. Wenn man die frühen Arbeiten als "Sprachunterricht" nimmt, ist es sehr befriedigend und bereichernd in einen Dialog mit dem späteren Werk des Künstlers zu treten, denn die Voraussetzung für eine erfolgreiche und wesentliche Unterhaltung ist das Verständnis der Sprache, die einem Ansatz Form gibt.

 

 

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 john@artistjohngreer.com

Bus Shelter in Halifax with retroActive poster!
Thinking Back to Gertrude and Henrie, 2015
Installation View retroActive with Threshold, 2015; Civilization, 1990/91; PaperMoney, 2012
Wait of Water by John Greer, 2014 Bay of Fundy Detail of Wait of Water, October 9th, 2014; retroActive tied up, tide down, looking back across the bay where the piece was first realized in 1972
National Gallery of Canada : THE PROUST QUESTIONNAIRE
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