JOHN GREER
JOHN GREER

ASPIRATION   hinter dicken Mauern / behind thick walls

2 person exhibition with Vanessa Paschakarnis at ArtdDriburg, Bad Driburg, Germany, September 13th - October 18th, 2015.

Thoughts to the works:

POSTCARD WORKS 2015

Why and what is significant about the simple postcard? Desire. Desire to share an experience and somehow make it real. An experience over time and space. Reducing an experience into a 2-dimensional symbol, the image; and then to send this image through space and time with the hope of the experience being perceived or imagined. It is a recreating, at least in the mind, of the 3-dimensional experience: a sharing, a human bonding.

Over the past 30 some years I have been on the lookout for postcards that could be slightly modified to bring the idea of this desire for 3D experience to fruition in a subtle way, on a human scale. The golden thread of time, the reflection of time passed in the river under the bridge, the replaced arrows in a sculpture (lost through compassion or neglect), the gesture of stepping into the world of space and time, the celebration of life in the moment of NOW, reflected, the echoes of experience.

DISORIENTED

The cardinal positions lost in the dungeon, disoriented, without direction, frozen in place. You are here.

John Greer
Germany, September 2015

 

Gedanken über die Arbeiten:

Postkarten Arbeiten 2015

Warum und was ist so bedeutend in Bezug auf einfache Postkarten? Sehnsucht. Sehnsucht eine Erfahrung zu teilen und sie irgendwie real zu machen. Eine Erfahrung über Zeit und Raum. Eine Erfahrung zu einem 2-dimensionalen Symbol zu reduzieren, das Bild; und dann das Bild durch Raum und Zeit zu schicken, in der Hoffnung, dass die Erfahrung wahrgenommen oder sich von jemand anderem ausgemalt wird. Es ist eine Wiederherstellung der 3-dimensionalen Erfahrung, zumindest in Gedanken, ein Teilen, ein menschliches Einvernehmen.

Über die letzten 30 Jahre habe ich nach Postkarten Ausschau gehalten, die leicht modifiziert werden konnten um diese Idee des Verlangens nach 3-dimensionaler Erfahrung umzusetzen, subtil und auf menschlicher Ebene. Der goldene Faden der Zeit, die Spiegelung des Flusses vergangener Zeiten in der Brücke, die erneuerten Pfeile in einer Skulptur (verloren durch Mitgefühl oder Unbedachtsamkeit), die Geste des „in die Welt von Raum und Zeit Eintretens“, das Feiern des Lebens im Hier und Jetzt im Moment, gespiegelt, Echos der Erfahrung.

Desorientiert

Die Kardinal Positionen haben sich im Kellergewölbe verirrt, sind desorientiert, richtungslos, erstarrt im Raum. Du bist hier.

John Greer
Germany, September 2015

„Wunderbrunnen“ (Postkarten) 2015

Digitaler Druck auf Dibond, Spiegel, 90cm x 88cm x 118cm

“Desorientiert”, 2015

4 halbe Figuren, Schaumstoff, je 68cm x 90cm x 180cm

„Ephemer“, 2015

2 Elemente, Dibond, je, 68cm x 180cm

„Sitzender Buddha mit goldenem Faden“ (Postkarten), 2015

2 Elemente, Digitaler Druck auf Dibond, Elastikband golden, Postkarten 117cm x 165cm, Installation variable Dimensionen;

„Stehender Buddha mit goldenen Faden“ (Postkarten), 2015

2 Elemente, Digitaler Druck auf Dibond, Elastikband golden, Postkarten 117cm x 165cm, Installation variable Dimensionen;

„Betrachtung der Ponte Vecchio“ (Postkarte), 2015

Digitaler Druck auf Dibond,172cm x 67cm x 55cm

„At-tension! / Still-gestanden!“ (Postkarte)

Digitaler Druck auf Polystyrol, elastisches Gummiseil, 100cm x 50cm x 166cm

„Die Restaurierung des St. Sebastian“ (Postkarte), 2015 

Digitaler Druck auf Polystyrol, 117cm x 90cm x 165cm

Einführung Museum Burg Dringenberg für Vanessa Paschakarnis und John Greer

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich freue mich sehr in diesen spannenden Räumen zu sein und eine kleine Einführung in John Greer’s und Vanessa Paschakarnis’  Arbeiten, die Sie hier sehen, geben zu dürfen.

Ich vertraue Bildern und Skulpturen mehr als Worten und lange Ausstellungseröffnungen  langweilen mich. Deshalb möglichst kurz, damit Sie zum Eigentlichen, der Kunst selbst, kommen.

Als Vanessa und John mich fragten, ob ich die Einführung machen könnte war ich sehr erfreut und dachte: dann sehe ich Sie nach längerer Zeit endlich mal wieder. Ich dachte nicht daran, wie komplex ihre Arbeit und die außergewöhnliche Beziehung der beiden ist, wie komplex und tiefgründig, dem Leben, der Natur zugewandt beide Arbeiten sind.

Wie sehr ihre Kunst sich von einander unterscheidet ist deutlich sichtbar und ich werde dies später ausführlicher beschreiben. Aber auch, dass beide Künstler im Grundsätzlichen verwandte Seelen sind, und nicht nur deshalb ein glückliches Paar. Die Sicht auf das Leben, auf die Kunst eint sie.

Beide engagieren sich für Kunst als Vermittler zwischen der Person und der Welt in der wir uns befinden.  Beider Haltung ist es zu denken – zu sein – zusammen mit anderen – von und auf der Welt. Beide haben starkes Interesse und eine hohe Begabung zu lehren. So ist es nicht verwunderlich, dass John 26 Jahre an dem Nova Scotia College of Art und Design in Halifax als Professor unterrichtet hat. In dieser Position hat sein Denken und Lehren die zeitgenössische Kunstpraxis in Kanada maßgeblich beeinflusst und geformt.

Seit 1967 stellt er weltweit aus und seine Arbeiten befinden sich in den bedeutendsten privaten und öffentlichen Sammlungen und Museen der Welt genauso wie in öffentlichen Räumen. Dass er zahlreiche Preise und Ehrungen empfangen hat, ist nur eine selbstverständliche Konsequenz.

Als vor nun fast 30 Jahren Vanessa zu mir als Studentin kam, war mir nach kurzer Zeit klar, dass Sie die geborene Zeichnerin und Bildhauerin ist. Und wir lachen gerne beide darüber wie ich sie ziemlich am Anfang ihres Studiums – ich musste kurzfristig aus dem  Unterricht – einfach zur Gießassistentin machte, da ich volles Vertrauen in ihre praktischen und pädagogischen Fähigkeiten hatte. Sie gestand mir im Nachhinein, dass Sie dabei ziemlich nervös wurde.

Ihre Karriere liest sich dann auch folgerichtig. Studium an der Kunsthochschule Berlin-Weissensee, MFA an der NSCAD University in Halifax, verschiedenste Lehraufträge an der NSCAD University, Assistent Professor an der Universität in Dallas, verschiedenste Lehraufträge in Italien und Griechenland. Preise und Auszeichnungen folgten.

Sie stellt international aus – in Europa, USA, Kanada und Italien. Ihre Arbeiten befinden sich in bedeutenden öffentlichen und privaten Sammlungen und Museen.

Ich traf John das erste Mal im Zusammenhang eines Künstlergesprächs das er in der Freien Akademie für Kunst Berlin,  dessen Leiter ich damals war, veranstaltete. Dies ist nun ca. 20 Jahre her. Vanessa, die vor gut 25 Jahren meine Studentin an dieser Schule gewesen war, hat ihn zu uns gebracht.

Es gibt ein paar Dinge zu benennen, die John damals vermittelt hat, die mir unvergessen bleiben und an denen sich bis heute nichts geändert hat. Seinen Humor, seine Humanität und Großzügigkeit, die Fähigkeit künstlerisches Denken und Handeln zu vermitteln und immer wieder die Kunst als Mittler seiner Sicht zum Leben, auf das Leben, im Leben zu realisieren.  Seine Kunst als Möglichkeit zu nutzen sich selbst zu verorten und den Betrachter als notwendigen Vollender seiner Werke einzubeziehen.

In und durch seine Arbeit findet er gleichermaßen Fragen und Antworten, auch wie sich aus den Antworten immer wieder neue Fragen ergeben.

„Eine gute Größe für eine Skulptur sind die eigenen Arme, so groß etwa wie ich das Objekt umarmen kann.“ So und ähnlich war einer seine Aussagen damals im Gespräch in Berlin.

„A personal body of art is always in flux. And older work is more retroactive than retrospective until that person no longer continues to work.“ So John Greer zu seiner großen Retrospektive mit dem Titel „RetroActive.“  John arbeitet extensiver denn je, wie wir hier sehen.

Seine gerade fertig gestellten  „Postcard Works“ die wir hier sehen sind fabelhaft einfach und gleichzeitig tiefschichtig und konkretisieren genau das, was ich davor allgemein formuliert habe.

Postkarten sind eine Möglichkeit einfacher Kommunikation mit dem Wunsch, die eigenen Erlebnisse mit anderen zu teilen. Diese Postkarten sind in der Regel nur handgroß und deshalb besonders geeignet großartige Dinge in kleinem Format mitzuteilen und darüber hinaus für alle sichtbar, ja öffentlich zu sein, die auf den oft langer Transportwegen  mit den Karten in Berührung kommen.

Hier geschieht nun eine typische Umwandlung Greer’scher Art. Die Transformation von Handgröße zu Menschengröße einer Abbildung des Kouros (nebenbei – eine der bekanntesten Kourosfiguren ist im Original  nur 40 cm hoch/der Kouros von Pelleskastro) und die Transformation der zweidimensionalen Karten in eine dreidimensionale Installation.

Nun stehen wir dem Kouros direkt gegenüber und können seine Ausstrahlung – strenge Symmetrie, Frontalität und das feine, fast unmerkliche Lächeln mit unserem ganzen Körper wahrnehmen. Wir werden so Teil der ganzen Installation.

Es entsteht Teilnahme, die weit zurückreicht ins 8. Jhrdt vor Christi, Teilnahme an den Erlebnissen und Erfahrungen des Künstlers und Teilnahme mit dem Adressaten, an den die Postkarten gerichtet sind. Die Titel Still-gestanden/At-tension, der Kouros hält sich mit einem Bungie aufrecht und in Spannung, ist eine weitere Bedeutungsebene und man könnte diese als eine von John’s Jokes interpretieren: Dieser Kouros hat Probleme mit dem Stehen und benötigt auf Grund altersbedingter Gebrechlichkeit moderne Freizeittechnik sich aufrecht zu halten.

Buddha – wörtlich „Erwachter’“, im Buddhismus ein Mensch, der „Bodhi“ (das Erwachen) erfahren hat, ist ein Wesen, welches aus eigener Kraft die Reinheit und Vollkommenheit seines Geistes erreicht und somit eine grenzenlose Entfaltung aller in ihm vorhandenen Potenziale erlangt hat: Weisheit und Mitgefühl. Er hält einen goldenen Faden, der sich durch den Raum spannt und von der anderen Seite von demselben Buddha gehalten wird. Doppelt hält besser – könnte man mit Greer’schem Humor sagen.

Aber ist nicht der Künstler selbst ein Mensch, der Wissen sucht und dieses sichtbar werden lässt durch seine Kunst mit dem Wunsch dieses Wissen mit anderen zu teilen?

Noch ein Wort zu John Greer’s „Sirenen“. Eine Sirene ist in der griechischen Mythologie ein weibliches Fabelwesen, ein Mischwesen aus ursprünglich Frau und Vogel oder Frau und Fisch, das durch seinen betörenden  Gesang Schiffer anlockt um sie zu töten.

John Greer’s Sirenen und deren Geschwister die ‚reflektierenden Silhouetten’  sind etwas anderer Art. Sie sind ganz menschliche Gestalt aber durch die Schönheit ihrer Körper,  der Haltung und der kostbaren Gestaltung der Frisuren strahlen sie Göttliches aus. Dass sie einen Schatten haben macht sie menschlicher während die Dreidimensionalität dieses Schattens sie wieder vom Menschen unterscheidet.

Der Betrachter kann sich in Ihnen als zweite, ergänzende Hälfte erkennen, da die Göttinnen aber dis-orientiert in die  ihrem Namen nach nicht entsprechenden Himmelsrichtungen ausgerichtet sind, können wir uns nicht nach ihnen richten, auch wenn ihr Gesang noch so betörend klingt.

Bisher hielt John Greer die Festung des Ruhms- nun soll Vanessa Paschakarnis gelten analog zu Vasaris Aussage zu Cimabue und Giotto.

Die Arbeiten, die wir von Vanessa hier sehen, sind generell auf das Maß des menschlichen Körpers bezogen.  Die Formen sowohl der Skulpturen wie auch der Zeichnungen lehnen sich an etwas uns Bekanntes aber von uns oft nicht Erkanntes an. Wir erinnern uns, aber ohne sofort zu wissen an was.  Das „Ding“ wie es Vanessa nennt, ihre Skulpturen: ‚Schatten’, ‚Schilde’, ‚Bestien’, ihre ‚Erdschnaken’ ereignen sich in unserem Umfeld, werden dann aber von Vanessa Paschakarnis neu geformt, in besonderen Bezügen im Raum, in den Räumen dieses besonderen Ortes – wie auf einer Bühne inszeniert.  Wir können die Tänzer sein, die sich zwischen den Objekten bewegen und damit mit diesen eine Beziehung aufnehmen, von ihnen angezogen oder abgestoßen werden.  Dürfen wir sie berühren wie sie uns berühren?

Folgen wird den feinen Linien der „Shields“ mit den Augen, folgen wir körperlich mit Augen, Armen und Händen der Entstehung retroaktiv wie ihr Partner in Crime seine Kunst nennt.  Vanessa Paschakarnis gibt uns durch ihre Arbeit zum Einen die Möglichkeit ihrem künstlerischen Prozess zu folgen, sich den durch diese Prozesse gewonnen Erregungen und Entdeckungen zu Gestalt gewordener Dingformen – Drucke, Zeichnungen, Skulpturen – zu öffnen und sich ihnen zu nähern.  Im Sich-Nähern liegt die Chance zu verstehen. Das Bild, die Zeichnung, die Skulptur wird zum Anderen, gleichwertigen Gegenüber im Raum.

Im Weiteren folgen wir interessiert und irritiert dem Monumentalen in Vanessas Kunst – aus einer kleinen Muschel, dem Sanddollar (ca. 5 cm Durchmesser) wird ein dem menschlichen Maß entsprechendes „Shield“, wird erinnert an die Zeichnung Leonardo Da Vincis, dem Mensch als Maß der Dinge – dem ‚Ding’ bei Paschakarnis wächst hier neue Bedeutung zu – hier möchte ich mit Leber’schem Humor anmerken, dass, wenn auch nur kurz eine Struwelpeter-Marionette  aus meiner Kindheit vor meinem geistigen Auge auftauchte, als ich die Analogie zu da Vinci herstellte.

Von Vanessa werden diese kleinen „Sanddollars“ geliebt und die darin wohnende Wärme ziehen wir Leonardos Vermessung der Dinge vor.

Skulpturen von geflügelten Wesen, die mit ihren überlangen Beinen den Raum einnehmen, ihre Schatten werden zu zweidimensionalen Zeichnungen, mehr flächig als linear. Die Körper sind kostbarer Marmor, die Beine zerbrechlich und doch erscheinen sie durch ihre Materialität und Oberflächenbehandlung stark und sehr beweglich, fast wie Seile aus Eisen.

Die Körper erscheinen mir fast wie Wesen aus einer anderen Dimension – sind sie gerade gelandet oder sind sie im Begriff zu starten? Gehen Sie unter ihnen hindurch, um sie herum, dann werden die Beine zu spitzen Bögen unter denen wir spielend Hand in Hand hindurch gehen können und die Körper wie kleine Boote aus Marmorpapier auch schwimmen können.

Jetzt ist es an der Zeit, dass wir uns den Werken nähern und uns ganz im Sinne beider Künstler betrachtend uns berühren lassen  und sie dadurch vollenden. Aber beim Sich-Nähern, bitte darauf aufpassen dass man nicht zu nahe kommt, denn auch wenn die Skulpturen massiv wirken sind Sie sehr verletzlich.

 

Vielen Dank für Ihre Geduld.

 

Erwin Leber

Berlin/ Bad Driburg,  September 2015

 

 

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 john@artistjohngreer.com

Bus Shelter in Halifax with retroActive poster!
Thinking Back to Gertrude and Henrie, 2015
Installation View retroActive with Threshold, 2015; Civilization, 1990/91; PaperMoney, 2012
Wait of Water by John Greer, 2014 Bay of Fundy Detail of Wait of Water, October 9th, 2014; retroActive tied up, tide down, looking back across the bay where the piece was first realized in 1972
National Gallery of Canada : THE PROUST QUESTIONNAIRE
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